28.08.2023
Aiwanger ist alternativlos

Sechs Wochen vor der Landtagswahl stürzt ein antisemitisches Pamphlet aus den 80er Jahren die Staatsregierung in eine schwere Krise. Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (FW) will nicht der Verfasser gewesen sein, am Vertrieb war er aber wohl beteiligt.
Dazu ein Interview mit FW-Landtagskandidat Sven Krage aus Dorfen.

Herr Krage, was ging Ihnen durch den Kopf, als sie von Aiwangers Hetzschrift gehört haben?
Es war ja klar, dass vor der Landtagswahl der Erfolg und die Anerkennung von Hubert Aiwanger infrage gestellt werden. Die SZ hat in der ersten Nachricht davon berichtet, dass Herr Aiwanger der Verfasser gewesen sein soll.
Das ist nun entkräftet. Eine sorgfältige Recherche ist hier nicht zu erkennen. Es stimmt mich persönlich nachdenklich, dass man mit schlecht recherchierten Nachrichten, Menschen und seine hervorragende Arbeit infrage stellt.Glauben Sie, dass nicht

Hubert Aiwanger der Verfasser war, sondern sein Bruder?
Ja, ich habe Hubert Aiwanger als einen ehrlichen und fleißigen Politiker kennengelernt. Solche abscheulichen Äußerungen passen nicht zu ihm. Darüber hinaus kann man ihn nicht die Sippenhaft auf ihn anwenden. Da ist so viel ungeklärt.

Kann man das noch als Jugendsünde abtun?
Mit 17 Jahren ist man sich nicht immer im ersten Moment im Klaren, was man tut und welche Konsequenzen sein Handeln mit sich bringt.
In unserer demokratischen Grundordnung haben wir nicht ohne Grund Jugendstrafrecht, um Jugendlichen nach einer Verfehlung eine zweite Chance zu geben.

Aiwanger soll die Hassschrift nicht verfasst, aber verteilt haben. Ist das für Sie weniger schlimm?
An Spekulationen werde ich mich nicht beteiligen.

Erwartungsgemäß fordert die Opposition Aiwangers Rücktritt? Sie auch?
Nein! Diese Hetzkampagne soll dazu dienen, Herrn Aiwanger aus seinem politischen Amt zu drängen. Der Opposition würde es gefallen, ihn aus dem Verkehr zu ziehen. Nur was bewirkt das?
Eine Stärkung der AfD, weil sich die Wähler eine nicht wirkliche Alternative suchen werden. Die politische Debatte ist dermaßen aufgeheizt und aggressiv und geht an den Erwartungen der Wähler vorbei. Wir brauchen stattdessen eine Debatte der Sachthemen und nicht der Personalthemen.

Nehmen wir an, Aiwanger hat bei einem der Vorwürfe nicht die Wahrheit gesagt. Müsste er dann gehen?
Heute nach vielen Jahren eine Aufklärung in dieser Angelegenheit herbeizuführen, sehe ich sehr kritisch. Es gibt auch eine Verjährung im Hinblick auf diese Anschuldigungen in unserem Rechtssystem – nicht ohne Grund.

Es gibt Stimmen, die meinen, der Fall könnte Aiwanger sogar nutzen. Gehören Sie dazu?
Wenn man sich umhört, ist das eine verbreitete Meinung. Diese Anschuldigungen dienen dazu, Aiwanger als unbequemen Moderator der Themen, die die Menschen bewegen, loszuwerden.

Ist der Fall eine große Belastung für Ihren ganz persönlichen Wahlkampf?
Nein, mein Wahlkampf reduziert sich auf die Aufgaben und Sachthemen, die in Bayern anstehen. Ich habe mich nicht ohne Grund als Direktkandidat aufstellen lassen.
Ich möchte meine kommunalpolitischen und Lebenserfahrungen in den Landtag einbringen.

Die SZ hat ein Psychogramm Aiwangers gezeichnet, dass solche Ausfälle bei ihm System haben. Ist Aiwanger ein verkappter Rechter? Bei der Heizdemo gingen seine Aussagen ja sehr in diese Richtung?
Gehen Sie mal auf die Bühne, wo über 5000 Menschen den Ministerpräsidenten ausgepfiffen haben. Die Stimmung war aufgeheizt. Da kann es passieren, dass die Formulierungen nicht immer zu Ende gedacht sind. Ich habe Aiwanger bewundert, wie er selbst erhitzt sein Statement gesendet hat. Darüber hinaus ist es bemerkenswert, wie Aiwanger bei Markus Lanz seinen Standpunkt verteidigen musste.

Soll Söder an Aiwanger festhalten?
Ja. Was hat er denn für Alternativen? Eine Koalition mit den Grünen hat er kategorisch ausgeschlossen. Sollte er es dennoch tun, leidet seine Glaubwürdigkeit. Nach den jüngsten Hochrechnungen bleibt nur noch die SPD.
Das reicht aber nicht, um komfortabel weiterregieren zu können. Söder kommt nicht an den FW vorbei.

Glauben Sie, dass die CSU die Koalitionszusage an Ihre Partei noch kippt?
Ich kann nicht einschätzen, wie die CSU sich entscheidet.
Regierungstechnisch gesehen, ist eine Koalition mit uns die einzige Alternative, um weiterhin eine gute Politik für Bayern zu machen. Gestatten Sie mir noch eine Randbemerkung: Die Freien Wähler haben auch nicht die Koalition infrage gestellt, als die Maskenaffäre ans Licht kam.